Als die Wiener 1873 ihre Leichen per Rohrpost verschicken wollten

Einige Male haben wir schon darüber berichtet, wie in der Vergangenheit und auch in der Gegenwart Rohrpost-Systeme als umweltfreundliche Transportsysteme genutzt oder geplant wurden, um Passagiere und Waren in verschiedenen Städten der Welt von einem Ort an den anderen zu bringen. Einen geradezu makabren, aber für die damalige Zeit jedenfalls sehr innovativen Ansatz verfolgten die Wiener um 1873.
Obgleich die Umweltfreundlichkeit, wie wir sie heute verstehen, sicherlich nicht der Beweggrund für die Überlegungen rund um das Wiener Leichenrohrpostsystem waren, zeigen Beispiele wie diese, wie knapp man vor über 120 Jahren noch davon entfernt war, eine deutlich andere Entwicklung urbaner Transportsysteme einzuleiten.
Der tatsächliche Grund für die Überlegung nach einem neuartigen Transportsystem für Leichen in Wien war der Bau des Wiener Zentralfriedhofs, der damals eigentlich am äußeren Ende der Stadt lag. Was bedeutete, dass die Leichname der verstorbenen Wiener die weite Strecke dorthin transportiert werden mussten. Dies erfolgte zumeist über die Simmeringer Hauptstraße. Wien war damals bereits Millionenstadt und schickte sich an, zur viertgrößten Stadt der Welt aufzusteigen. Entsprechend viele Menschen verstarben natürlich auch in der Metropole. Folgedessen waren auf der Simmeringer Hauptstraße schon bald täglich Hunderte von Kutschen und Wagen unterwegs, die Särge beförderten. Die Anwohner waren nicht gerade erfreut über den täglichen Anblick des Todes. Ein Grund, weshalb man etwa im London dieser Zeit die Leichenbeförderung in die Untergrundbahnen verlegte und die Transporte auch nur nachts durchführte.
Konkrete Konzepte legte Ingenieur Franz von Felbinger vor, der bereits für kleinere städtische Rohrpostsysteme, etwa in München und Hamburg verantwortlich war. Der Innendurchmesser der Röhren sollte rund fünf Meter ausmachen und die Särge sollten mit einer für die damalige Zeit atemberaubenden Geschwindigkeit von rund 70 km/h die rund 7 Kilometer lange Strecke zurücklegen. Den Hochrechnungen zufolge sollte das System sogar wirtschaftlich sein, wenn von ca. 38.000 Toten jährlich ausgegangen wurde. Gleichzeitig bedeutete diese, dass das Rohrpostsystem ebensoviele Leichenwagen von den Wiener Straßen verschwinden lassen würde. Was damals selbstverständlich noch mit Pferdefuhrwerken ausgeführt wurde, würde später bei zunehmender Motorisierung einer deutlichen CO2-Einsparung entsprechen. Denn für den zu erzeugenden Luftdruck in den Rohren sollte eine zentrale Dampfmaschine zuständig sein, wobei man im Laufe der Zeit wahrscheinlich auf andere Technologien umgestiegen wäre.